30.3.07

Von wegen Wiegeschritt

Rück, links, vor, vor, zusammen; vor, rechts, zusammen: Nach anderthalb Jahren in Buenos Aires habe ich doch schon die erste Tango-Stunde genommen, heute, mit Verónica. Sie verdient ihr Geld nachts im "Che Tango", einem turnhallengroßen Show-Etablissement in La Boca, und tagsüber mit Leuten wie mir. Meine Lackschuhe, für den Bundespresseball gekauft, finden so nochmal sinnvolle Beschäftigung.
Die Welt, glaube ich, hat schon größere Talente gesehen als mich. Aber Verónica hat Geduld. Und lange Beine. Und ein Kleid mit Schlitz.
Das mit dem Wiegeschritt kommt irgendwie nicht vor bei der Art, wie wir zusammen tanzen. Überhaupt: Schritt und Takt scheinen doch ein einem ganz anderen Zusammenhang zu stehen, als die Tanzschule Grill, Kempten, uns 16-Jährigen immer hat glauben machen.
Die Schritte, sagt Verónica, seien aber gar nicht so wichtig. Wichtiger sind die Haltung, eine gewisse Ent-Spannung des rechten Bizepsmuskels und klare körperliche Ansagen an die Frau. "Und immer gegen den Uhrzeigersinn tanzen - damit die Zeit so langsam wie möglich vergeht..."

23.3.07

Jetzt noch besser:

...beschriftet und immer noch ganz umsonst: Meine Fotos aus der Antarktis. Hier klicken.

Im Büro

Ich komme ziemlich regelmäßig, so gegen zehn. Oft bleibe ich bis 18 Uhr: klassische Bürozeiten. Schließlich ist das Cafe "Piacere" auf der Ecke Paraguay/Gurruchaga ja auch mein Büro. Hier habe ich Internet per Wifi, daheim ist der Computer ohne Anschluss.
Wenn der Wind gut steht, das Netz gerade nicht überlastet ist oder sonstige für mich unbeflussbare Faktoren stimmen, kann ich über skype auch telephonieren. Denn daheim habe ich zwar Telephon - aber nur für lokale Nummern, Handy- oder Auslandsgespräche sind blockiert. Um das zu ändern, müsste ich die Linie auf meinen Namen ummelden. Dazu müsste ich hier angemeldet sein. Dazu bräuchte ich ein Visum. Mit Redaktionsempfehlung, Geburtsurkunde, polizeilichem Führungszeugnis und so. Das habe ich nicht, also "Piacere".
Der Kaffee kostet hier 2,50 peso (das sind 0,63 €), der Orangensaft (frischgepresst) 5. Die portenos verbringen viel Zeit im Café, noch mehr als in Berlin-Mitte. Man sieht hier Buchhalter, in der Linken ein Stapel Quittungen, in der Rechten ein Taschenrechner. Sprachlehrerinnen, die mit ihren Schülern Grammatik pauken. Büros, die sich zur Arbeitsbesprechung zwei, drei Tische zusammenstellen lassen, und dann spricht vor allem einer. Computermenschen wie ich, die sich hinter ihren aufgeklappten Laptops verstecken. Eine Tasse Kaffee - und der Ober lässt dich den ganzen Tag in Ruhe.
Nächsten Mittwoch, heißt es, soll ich Internet nach Hause bekommen. Schade eigentlich.

17.3.07

Erschienen in der "Zeit"

Wie sich die Kirchners das Bett teilen - und die Macht in Argentinien. Zu lesen hier.

Land voraus!

Wie langsam, wie gemütlich eine Seefahrt doch ist. 16 Knoten machen wir, das könnte man an Land mit dem Fahrrad fahren. Die Zeit wird klebrig.

Uns passiert ein Containerschiff nach dem nächsten, mit der antarktischen Einsamkeit ist es nun vorbei. Das Wasser ist nun nicht mehr blau, sondern milchkaffeebraun – wir sind im Río de la Plata, zwischen Kiel und Bodenschlamm sind nur noch gute fünf Meter Platz. Die „Festival-Beleuchtung“ aus mittschiffs gespannten Lichterketten ist angebracht – sieht im Hafen schicker aus. Am Bug hängt nun ein Hamburg-Wimpel. Gute 150 Meilen vor Buenos Aires geht Jorge, der Lotse, an Bord. „Wo kommen Sie her?“, fragt er den Kapitän. „Von den Falklands.“ „Ach, Sie meinen die Malvinas, derzeit unter britischer Verwaltung...“ Der Kapitän lässt dafür Leckeres aus der Kombüse auftischen.

Schließlich Land voraus, Buenos Aires! Mit einem Glas Champagner an Deck begrüßen wir die Wohntürme Puerto Maderos – und Milliarden von Mücken. Abends um kurz vor zehn laufen wir ein im Containerhafen. Nach drei Wochen weitgehender Wildnis wieder Verkehrslärm, rote Ampeln. Daheim!

Und hier endlich einige Fotos: Hier als Dia-Show, hier als Bildergalerie.

15.3.07

Rolling Home


Drei Seetage Richtung Buenos Aires, mit 16 Knoten schippern wir die argentinische Atlantikküste hoch, in "nordöööööööstlicher Richtung", wie der Kapitän aus Cuxhaven immer sagt. Inzwischen kann ich mich wieder aus der Kajüte wagen ohne Kotztüte in der Hosentasche. Die Sonne brennt uns mitten durchs Ozonloch auf die Haut, Lichtschutzfaktor 50 reicht hier nicht weit, Hautkrebs ahoi! So lassen wir uns auf dem Sonnendeck brutzeln, hin und wieder kommt ein Philippino und reicht Fruchtspießchen oder Eistee an. Heute mittag gab es bayerisches Büffet - Weißwürscht, Leberkas und Becks (sic!!!) -, für abends sind Lichterketten aufgehängt, große Abschlussgala, Kleidungsvorschlag: festlich. Die Crew hat schon den ganzen Tag kleine Augen, sie haben gestern das Ende der Antarktis-Saison gefeiert. Ob Pinguine geschlachtet wurden, ist nicht überliefert. Möglich ist hier alles.

Eine Cocktail-Epidemie hatte sämtliche Limetten-Vorräte verputzt, aber auf den Malvinas/Falklands wurden 10 Kilo eingeladen, jetzt können wir also wieder Caipi kippen.

Erste Bande zwischen Passagieren und Crew sind auch schon geknüpft, es wird Abschiedstränen am Kai geben. Ich allerdings bin außen vor. Schließlich bin ich ja hier zum arbeiten.

In der Hotelboutique gibt es Rabatt auf Parfums, auch die Armani-Uhren gehen gerade billiger raus - wäre immerhin ein Souvenir mit starkem Lokalbezug.

Abends das Abschlussgalaessen. Es gibt Kaviar und ausgelöste Hummerbeine, es werden Smokings getragen. Der allabendliche Kleidungsvorschlag „sportlich-elegant“ ist seit Beginn der Reise immer lockerer interpretiert worden, heute abend wird noch einmal schwer aufgerüstet.

Der Kapitän stolpert sich durch sein Englisch, gibt die Statistik: Es war die 416. Reise der Hanseatic, sie hat in ihren knapp 14 Jahren über eine Million Seemeilen gemacht, also 14,2 mal die Welt umsegelt. Zum 78. mal war sie in der Antarktis, 20 Zodiac-Ausfahrten gab es diesmal. Tiefsttemperatur waren minus fünf Grad bei Elephant Island, der Spitzenwert von 25 Grad wird für morgen erwartet, die größte Windstärke waren 10 Beaufort. Das Durchschnittsalter auf dieser Reise lag bei 60 Jahren, ein Klacks im Vergleich zu den Fahrten ab Hamburg, da liegt es bei 70. Eine schwimmende Jugendherberge, sozusagen. Die persönliche Gewichtsbilanz: ein Kilo zugenommen, geht ja.

13.3.07

Auf den Malvinas/Falklands


Nach zwei Tagen auf rauher See geht man an Land auf wackligen Beinen. Wir sind angelandet in Puerto Argentino auf den Malvinas - so sagen die Argentinier - bzw. auf Port Stanley auf den Falklands - so sagen die Briten. Man gibt sich hier britischer als Fish&Chips: Im Supermarkt Cadbury-Schokolade und Tetley-Tee, überall der Union Jack, FC-Arsenal-Schilder an den Garagen, auf den Autoaufklebern heißt es: "Keep Gibraltar British". Ist ja schließlich um die Ecke.

Gemeinsam mit unserer kleinen schnuckeligen "Hanseatic" - 180 Passagiere - sind ein US-Kreuzfahrtschiff mit 2000 Mann sowie ein Holländer mit 1200 angekommen. In der Touri-Information und in den Geschäften geht es zu wie an einem Adventssamstag bei Kaufhof.

Ich sitze gemeinsam mit dem Kapitän im Internetcafé. Ich checke meine E-Mails, er überprüft sein Aktiendepot.

10.3.07

In Südgeorgien

Geisterstädte wie in Wildwest: So sehen die alten
Walfangstationen hier auf Südgeorgien aus.
Norweger, Briten und Argentinier haben hier
Anfang des 20. Jahrhunderts industrielle
Walausrottung betrieben, nachdem in den
Nordmeeren schon alles abgefischt war. Heizöl,
Medikamente, Tierfutter und aus den
Kieferknochen Damenkorsetts: Bis auf das letzte
Fitzelchen hat man die Wale ausgenommen und
verwertet. Heute stehen hier nur noch rostige
braune Wellblechhallen herum, Trantanks, ein
paar Boote rotten vor sich hin. Von dem Kino und
der Skisprungschanze und den Bäckereien, die
sich die Norweger hier eingerichtet haben, sieht
man nichts mehr. Nur die kleine weiße Holzkirche,
die man sich aus der Heimat hat mitbringen
lassen, die steht noch.
Die Anti-Kotzpflaster wirken und nebenwirken. Auf
einmal bin ich weitsichtig, kann nur noch mit weit
von mir gestreckten Armen lesen.

5.3.07

Seekrank

...bin ich dann doch geworden und habe anderthalb Tage lang kein einziges Mahl behalten können. Gehört ja auch irgendwie dazu.
Minus 2 Grad, waagrechter Schneefall, Windstärke 10: So sind wir an Elephant Island angelandet, wo der britische Polforscher Shackleton monatelang mit seiner Crew in der Schraubzwinge des Eises ausharren musste. Wir fahren mal eben eine kurze Spritztour mit dem Schlauchboot und werden dann an Bord mit heißer Bouillon, mit Sauna und mit Fußbädern empfangen. Raumschiff "Hanseatic".
Der Rhythmus auf einem Kreuzfahrtschiff ist definiert durch die Mahlzeiten: ab 7 Frühstück, ab 11 Bouillon, ab 12.30 mittag, ab 16 Kaffee, ab 19 Abendessen, 23 Uhr Nachtmahl. Um dem entgegenzuwirken, gibt es ein Gym. Auf dem Laufband torkelt man eher, als dass man läuft, auf dem Stepper stoße ich mit dem Kopf an der Decke an. Aber man gewöhnt sich an alles.
Die Eisberge werden nun schon seltener, wir fahren Richtung Südgeorgien. Ahoi!