21.2.06

In Pink

Saufen auf Kosten des italienischen Steuerzahlers (soll es geben): Cesare, der Wirtschaftsattaché an der italienischen Botschaft, hat eine Tochter geboren. Deshalb letzten Samstag Pink Party in seinem Sommerhaus. In einem "barrio cerrado", einem Seifenblasenviertel mit hohen Zäunen drum rum, zwei Polofeldern und so weiter, eine gute Stunde außerhalb von Buenos Aires. Mietbarkeeper gießen an der Mietbar Drinks in die Mietbecher, an den Miettischen gibt es Pasta auf Miettellern, der Miet-DJ beschallt aus Miet-Boxen die Mietzen. Als Eisbrecher, das macht man in Argentinien gerne, gibt es lustige Hütchen aus Pappe und Schaumstoff. Die sind allerdings gekauft. Links Janina, daneben icke.

17.2.06

„Des hamma in Togo auch scho gmacht“

(von links: der Fox-Moderator, der Botschafter, der Kaiser, der Thiele)

Franz Beckenbauer erklärt den Argentiniern, wie Torwandschießen geht und wirbt für die WM: „El Kaiser“ auf Staatsbesuch in Buenos Aires

So einer muss im Fahrplan bleiben: Er, der Kaiser, ein Deutscher, und dann auch noch Cheforganisator, Cheforganisator der Weltmeisterschaft. Und tatsächlich ist Franz Beckenbauer für argentinische Verhältnisse überpünktlich, für deutsche zumindest so halbwegs, als sein Jeep durch die Sicherheitsschleuse zur deutschen Botschaft in Buenos Aires fährt. Parat steht der Botschafter, ein kleiner freundlicher Herr mit Schnauzbart. Früher hat er sich im Auswärtigen Amt um die Sicherheit der Nato gekümmert. Heute kümmert er sich um Franz Beckenbauer.

Gestern war er in Paraguay, morgen geht es nach Brasilien und heute ist er in Argentinien: Beckenbauer ist auf Werbetour, acht Länder in elf Tagen – ein Programm wie zu Genschers besten Zeiten. „Das OK war der Meinung, ich müsste in alle 31 Länder fahren“, sagt Beckenbauer – und nun ist er halt da und macht den Fußballbotschafter.

Er wirbt für die WM und er wirbt für Deutschland. Auf der anderen Seite der Erde, aber doch in einer Art Miniatur-Heimat, in der deutschen Botschaft: Am Infostand liegen Broschüren aus, mit Fotos vom Brandenburger Tor und von den Fantastischen Vier, das Goethe-Institut bietet Sprachkurse an, zwei Blondinen im Kleinen Schwarzen zapfen Warsteiner.

Der echte Botschafter führt den Fußballbotschafter durch die Residenz. Kellner im weißen Livree servieren Drinks, im Garten zwitschern die Vögel. „Schön hier, so kann ma’s aushalten“, sagt Beckenbauer und schüttelt Hände. Der Botschafter sagt ein paar Begrüßungsworte und legt mit gönnerhafter Geste sein Sakko ab – bitte nachmachen, schließlich sind 32 Grad. Der Kulturreferent hat ein kurzes Hemd am Leib und einen Ferienbart im Gesicht, Beckenbauer ist im roten Poloshirt gekommen: Deutschland macht einen auf locker, das ist die Botschaft in der Botschaft.

Doch Beckenbauer ist Fußballdiplomat, er weiß, was er hier zu sagen hat: „Argentinien ist ja eins der Spitzenteams, eine der ganz großen Mannschaften der Welt.“ Der Generalsekretär des argentinischen Fußballverbandes, ein sonnengebräunter Mann mit silberglitzerndem Anzug, grinst stolz. Wer ins Finale kommt, wird Beckenbauer gefragt. „Für uns Deutsche ist egal, gegen wen wir spielen. Warum nicht wieder Mal gegen Argentinien, das wäre doch toll“, sagt er. Was hat er wohl in Togo gesagt, in Ghana und in Trinidad?

Der echte Botschafter hat auf dem Rasen seiner Residenz, links neben dem Swimmingpool, eine Wand aufbauen lassen. Eine grüne Wand mit zwei Löchern, eins oben links und eins unten rechts. Den Argentiniern wird per Mikrofon erklärt, dass es sich um eine Torwand handelt, dass sie im „Aktuellen Sportstudio“ erfunden worden ist, und dass „El Kaiser“ den Rekord hält: sechs Schüsse, sechs Treffer. „Aha, müss ma Torwandschießen“, murmelt Beckenbauer, „des hamma in Togo auch scho gmacht“.

Es geht gegen ein Team von Straßenfußballern. Der Weg in die Vorstädte war dem Kaiser zu weit, also hat man sie hierher geholt. Sie stehen in grün-schwarzen Trikots in der Sonne, eine Art Borussia-Mönchengladbach-Retrolook. Brav tritt einer nach dem anderen an. Ihr Gegner ist eigentlich Franz Beckenbauer – aber dann auch der Botschafter und dann auch der DFB-Pressechef und dann auch ein paar argentinische Verbandsfunktionäre und dann auch der Fernsehreporter von Fox-Sport. Der Moderator kommentiert fröhlich vor sich hin, nach Spielstand oder Reihenfolge fragt hier keiner mehr, irgendwann kommt auch der Hund des Botschafters dazu – Deutschland macht einen auf locker.

Kameras filmen, wie „El Kaiser“ Bälle signiert. Wie „El Kaiser“ eine Fußballtorte anschneidet. Wie „El Kaiser“ schwitzt. Und dann, wie „El Kaiser“ aus der Botschaft eilt – denn „El Kaiser“ muss jetzt weiter, es geht zum Staatspräsidenten, zu Néstor Kirchner.

Der sei „bester Laune“ gewesen, erzählt abends der Botschafter: Man habe Nationaltrikots ausgetauscht und Erinnerungen: An Beckenbauers erstes Spiel in Argentinien mit Bayern München 1966, an die WM in Schweden 1958. „Er kannte sogar Helmut Rahn“, sagt der Botschafter anerkennend.

Jetzt gibt sich Deutschland festlich: Man hat ins Alvear eingeladen, das erste Haus am Platze. Kronleuchter, Silberbesteck, Ober im Schwalbenschwanz, Krawattenzwang. Im Festsaal hängt ein mannsgroßer Umriss der Deutschlandkarte, in rasengrün, daneben zählt eine Uhr herunter: noch 113 Tage, 17 Stunden, 50 Minuten und 50 Sekunden zum ersten Anpfiff.

Beckenbauer und seine Männer sind in den offiziellen Anzügen des Organisationskomitees gekommen, sie sehen aus wie das Bordpersonal einer mittelguten Fluglinie. Vize Wolfgang Niersbach führt mit Witzen durch das Programm, von denen Beckenbauer sagt, dass er sie jetzt, im 24. Reiseland, schon zum 24. Mal hört. Dann gibt es einige Videoclips. Erinnerungen an Deutschland-Argentinien-Finals: 1986, wie Diego Maradona jubelt. 1990, wie Diego Maradona weint. Bilder von den Stadien, vom Kölner Dom, von Schloss Neuschwanstein. Statements von Spielerstars.

Die Argentinier haben einen empfindlichen Stolz, einer grummelt: Hier wird ihnen zu viel Ronaldo, Ronaldinho und Pelé vorgeführt, und dann werben die Deutschen auch noch ausgerechnet mit einem Plakat vom Nachbarfeind Brasilien für das WM-Kulturprogramm: „Das ist ein Tritt in die Eier, warum zeigen sie nicht Diego viel öfters“, sagt einer. Ein anderer meint, er werde ganz traurig, wenn er Beckenbauer so sieht: „Der ist einfach intelligent und schlittert nicht von einer Krise in die nächste wie unser Diego!“

Er hat recht, Beckenbauer, der Weltmeisterspieler, Weltmeistertrainer und Weltmeisterholer, ist ein guter Botschafter für Deutschland: Mit Engelsgeduld beantwortet er die immer gleichen Fragen. Die Journalisten stecken ihm die Mikrofone so dicht vor die Nase, als müsse er dran lutschen – doch Beckenbauer hat ein gutmütiges Dauerlächeln angeknipst, hält geduldig die Arme hinter dem Rücken verschränkt und schaut freundlich durch seine bläulichen Brillengläser. Hier ein Kompliment für die argentinische Mannschaft; da ein paar nette Worte über „dieses fantastische Land“; und zwischendurch ungezähltes Händedrücken, Schulterklopfen, Fotoschießen.

Auf der Videoleinwand Grußbotschaften von Bundespräsident und Bundestrainer. Beide sagen, dass Deutschland spontan und emotional ist. Dann wird erklärt, warum die WM eine WM der kurzen Wege wird, mit Diagrammen und Kilometerangaben. Fotos vom argentinischen Mannschaftsquartier, dem Hotel Herzogspark in der Beethovenstraße 6 in 91074 Herzogenaurach. Eine Tortengrafik erklärt die Ticketverteilung für Argentinier: 3445 für das Auftaktspiel gegen Elfenbeinküste, 3732 für das Spiel gegen Serbien-Montenegro und 3305 für das Spiel gegen Holland. Wenn es um Zahlen, Daten, Fakten geht, versteht Deutschland keinen Spaß. Die Uhr zeigt: noch 113 Tage, 16 Stunden, 37 Minuten und 52 Sekunden zum ersten Anpfiff.

Der Abend geht zu Ende, Beckenbauers Leute drängen an die Hotelbar. „El Kaiser“ drückt noch ein paar Dutzend Hände und signiert noch ein paar Reporterblöcke. „Jetzt geht’s nach Brasilien“, sagt er und klingt ein bisschen müde. „Aber dann hamma wenigstens a paar Tage Ruh.“

16.2.06

Ins Ausland ausverkauft

Je einer spielt in Deutschland (Martin Demichelis), in Portugal und Brasilien, drei spielen in Italien, zwei in England, zehn in Spanien - 18 Legionäre hat Nationaltrainer José Pekerman gestern für das Freundschaftsspiel am 1.3. gegen Kroatien nominiert, das letzte vor Bekanntgabe des endgültigen WM-Kaders.
Über die verbleibenden Auffüllplätze wird wild spekuliert. Es scheint nicht gänzlich unmöglich, dass auch ein paar Spieler das weiß-blaue Trikot bekommen, die in Argentinien spielen. Passenderweise hat der Trainer seine Entscheidung in Spanien verkündet.
Schuld ist wahrscheinlich der niedrige Peso, die Regierung hält ihn künstlich auf ca. 30 US-Cents. So sind nicht nur Wein, Soja und Rindfleisch auf dem Weltmarkt gefragte Exportprodukte - sondern auch Mittelstürmer und Rechtsverteidiger.

14.2.06

Warten auf den nächsten Knall

... ist dieser Text überschrieben, den ich für die "Welt" geschrieben habe.

9.2.06

Dscho oder Jo, Gischermo oder Gijermo

Technisch gesehen, spricht man hier in Argentinien spanisch. Aber erstmal sagen die Leute hier, dass sie "castellano" sprechen. Und zweitens entspricht das argentinische Kastilisch dem spanischen Kastilisch ungefähr so wie das kärntnerische Deutsch dem schleswig-holsteinischen.
Erstens die Aussprache:
"Ich heiße Guillermo." Ein Satz, den man immer mal brauchen kann, vor allem, wenn man Guillermo heißt. Iberospanisch würde er so gehen: "Yo me llamo Guillermo." Ausgesprochen würde er heißen: "Jo me jamo Gijermo."
Der argentinische Wilhelm hingegen, zumindest der aus dem Großraum Buenos Aires, würde sich so vorstellen: "Dscho me dschamo Gischermo."
Zweitens die Grammatik: "Und Du, was denkst Du?" Der Spanier fragt: "Y tu, qué piensas?" Der Argentinier hingegen: "Y vos, qué pensás?" Statt der von der königlichen spanischen Akademie vorgeschriebenen Du-Form verwendet der Argentinier das höflich-höfische "vos" und die entsprechende Verbbeugung. Die wird auf der letzten Silbe betont - was dazu führt, dass sich das argentinische Spanisch - zumindest für mich - viel rhytmischer anhört. Die spanische ABC-Korrespondentin dagegen, die ich neulich traf, rattert in meinen Ohren wie ein Maschinengewehr.
Überhaupt haben argentinische Sprachforscher jüngst herausgefunden, dass ihr Idiom vom Sprachrhytmus her mittlerweile mehr mit dem Napolitanisch gemeinsam hat als mit dem kastilischen Spanisch.
Kurzum, in Neapel werde ich mich durchschlagen können. In Madrid wohl nicht...

2.2.06

Joghurt aus dem www

"Entschuldigung, wir haben den von Ihnen bestellten Vanille-Joghurt nicht mehr vorrätig - darf's auch ein anderer sein?"
Gerade eben, kaum eine halbe Stunde, nachdem ich bei meinem Supermarkt die Online-Bestellung aufgegeben hatte, riefen sie mich an - eine Stunde später war die Lieferung da. Einziger Nachteil: Zitronen gibt es online nur im Kilo zu kaufen...
Argentinien ist sowas von online - unglaublich. Jeder Bäcker scheint hier eine eigene Seite zu haben. Das neue Fußballmuseum von Boca Juniors - online. Das von Arbeitern übernommene Hotel "Bauen" - (zugegebenermaßen noch etwas schwachbrüstig) online. Kumpel John mit seinem Möbel- und Designgeschäft - natürlich auch online.
Der argentinische Sinn fürs Hübsche zeigt sich auch im Netz, kaum eine Seite kommt ohne Flash-Gimnicks aus. Was allerdings den Abruf der Seiten in der argentinischen Provinz, im "Interior", schwierig macht - denn Breitband gibt's nur in Buenos Aires...